Montag, 6. Oktober 2008

Herzblut

Was macht eine Herzblutgeschichte aus? Ich grüble seit Tagen und komme nicht drauf. Bisher dachte ich, es muss Liebe auf den ersten Blick sein. Die Idee trifft dich wie ein Blitz, du verfällst ihr und krallst dich hinein, weil du musst. Schreibst sie um ihrer selbst willen, die Zielgruppe nur diffus im Hinterkopf - aber gleichzeitig voller Erwartung, deine Kopfgeburt endlich mit der Welt teilen zu können.
Und dann gibt es Stoffe, die in diese Rolle erst hineinwachsen müssen. Die du nüchtern planst. Für die du dich entscheidest, weil sie auf dem Reißbrett einen guten Eindruck machen. Anfangs funktionieren sie wie Vernunftbeziehungen, aber dann macht es plopp und du bist verliebt. Manchmal, wohlgemerkt.
Wieso? Ganz im Ernst, wieso?
Liegt es an der Vertrautheit der Figuren? Oder an den plotimmanenten (weia, was für ein Wort) Möglichkeiten, die sich erst so spät abzeichnen? Ist es ein Selbstschutzmechanismus, weil das innerste Schreiber-Ich weiß, dass es mit lauwarmen Gefühlen keine 450 Seiten lang durchhält? Passiert es dann, wenn klar wird, dass die Geschichte besser zu einem selbst passt, als man anfangs dachte? Wenn man entdeckt, dass man doch einmal mehr über sich selbst schreibt? Oder, ganz im Gegenteil, dass man neuen Fährten folgt und vielleicht endlich diesen einen Kontinent greifbar nah hat, der bisher nie auf der Landkarte zu finden war?

Jedenfalls passiert es, und es ist toll. Schon wegen der 450 Seiten.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Liebe Ursula,

ich glaube, diese Frage beschäftigt jeden Autor, wenn er mit dem Gedanken spielt, sich auf einen neuen Roman einzulassen. Womöglich steckt hinter all den anfänglichen Zweifeln ein gewisses Sicherheitsdenken, denn "Liebe auf den ersten Blick" kann oftmals auch nur ein Strohfeuer sein. Zudem betritt man neues Terrain, von dem man nicht weiß, wohin es einen führen wird, wohingegen man sich auf vertrauten Pfaden sicher und geborgen fühlt.

Das Leben ist aber viel zu kurz, um nicht auch einmal etwas Neues zu wagen. Und wenn man bereit ist, alle Selbstschutzmechanismen und alles Sicherheitsdenken beiseite zu schieben und sich sozusagen fallenzulassen, kann daraus etwas überaus Leidenschaftliches entstehen. Nicht immer, aber häufiger als man denkt. Außerdem winkt eine weitere Belohnung, denn jede Geschichte, der wir uns auf diese Weise hingeben, birgt ein Stückchen neuer Selbsterkenntnis in sich.

So zumindest erkläre ich mir das Geheimnis von Herzblutgeschichten. Irgendwie ist das ja auch wie im richtigen Leben: Ob eine Liebesbeziehung wirklich von Dauer ist, sehen wir erst dann, wenn wir uns darauf einlassen. Wichtig ist dabei nur, den damit verbundenen Ängsten und Befürchtungen keine Chance zu geben. Denn das habe ich von all meinen Vorbildern gelernt: Man muss etwas wagen, um Erfolg zu haben. Und wenn man auf diesem neuen Weg die Leidenschaft entdeckt, ist es definitiv der richtige.

Andererseits gibt es auch Dinge, die man nicht hinterfragen sondern einfach nur genießen sollte. Ich bin auf jeden Fall schon sehr auf das Endergebnis gespannt!

Wulf

Ursula hat gesagt…

Lieber Wulf!

Das Sich-Einlassen ist ganz sicher ein entscheidender Punkt. Für den es leider eben keine programmierbare Fixposition im Schreibprozess gibt und auch keine Garantie, dass er überhaupt kommt.
Vielleicht plotten manche deshalb so lang. Oder Recherchieren erst mal ein Jahr, bevor sie den ersten Satz schreiben.
Möglich ist aber auch, dass man erst mal den "Hook" für sich selbst finden muss, also einen Grund, warum man die Geschichte schreiben will. Der muss nicht zwingend etwas mit dem Hauptthema zu tun haben.

Alles Liebe
Ursula

Anonym hat gesagt…

Hallo Ursula,
ein Kabarettist hat zum Verlieben gestern gesagt: "Man kann sich nicht nur schön saufen, sondern sogar schön denken."
Erklärt wurde das mit dem Endorphinhaushalt beim Verliebtsein. Also... eigentlich kann man das auch mit einer gehörigen Portion Bitter-Schokolade errreichen. ;-)

Spaß beiseite - Kreativität regt ebenfalls den Endorphinhaushalt an, eine neue Geschichte ist also manchmal besser als ein neuer Partner...

Ach... ich weiß doch auch nicht ;-)

Liebe Grüße,
Petra

Anonym hat gesagt…

..ups, da fehlt ein "jemand" im Zitat. Man säuft / denkt sich das schön, worin man sich verliebt...

Ursula hat gesagt…

Liebe Petra!

Endorphine? Gut möglich. Was deine Theorie angeht, überlege ich gerade aktiv, inwieweit ich fähig bin, mir Dinge schön zu denken. Sie schön zu trinken ist definitiv einfacher - aber Schreiben und Trinken gehen bei mir überhaupt nicht zusammen. Schreiben und Denken sollten es eigentlich *g* - aber wer weiß ...

Danke für die Gedankenanstöße sagt
Ursula

 

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